Wäre Buchhalter Nötzli Eishockeytrainer geworden – er hätte wohl mehr oder weniger Aussehen und Charisma von Roger Bader gehabt. Und vielleicht ist das ja gerade das Erfolgsgeheimnis des Winterthurers: Wohl nur ein nüchterner «Buchhalter-Typ» ist dazu in der Lage, in wenigen Jahren aus der Operetten- und Kaffeehaus-Kultur des österreichischen Eishockeys eine ernstzunehmende Hockey-Macht zu formen. Mit einem Gespür für Ironie pflegt er zu sagen:
Er hat ein Hockey-Wunder vollbracht, das in seinem Heimatland kaum Beachtung findet. Obwohl er juristisch nach wie vor in Kloten wohnt (und einen Teil seiner Steuern zahlt). Drei von vier Wochen verbringe er in Wien. Dort hat der österreichische Verband seine Büros.
2014 zügelt Roger Bader nach Österreich und seit 2016 ist er in der Doppelfunktion Sportdirektor/Nationaltrainer der wichtigste und mächtigste Mann im österreichischen Eishockey. Er vereint die Ämter auf sich, die in der Schweiz Lars Weibel und Patrick Fischer ausüben. Er hat die Nachwuchsförderung, die Leistungskultur und die Trainerausbildung nachhaltig verbessert und nach dem Grundsatz «Raus aus dem Kaffeehaus, rein in den Kraftraum» dem österreichischen Eishockey den grössten Professionalisierungs- und Leistungsschub der Geschichte beschert.
Zwölf Jahre lang kam kein NHL-Draft mehr aus dem alten kaiserlich-königlichen Stammland. Während der Ära von Roger Bader sind es bereits wieder sechs und drei davon in der 1. Runde. Seit 2017 hält sich Österreich in der höchsten WM-Klasse und fordert inzwischen die Titanen auf Augenhöhe: Vor zwei Jahren ist Tschechien besiegt, vor einem Jahr Finnland gebodigt und mit dem 10. Rang die beste Klassierung der neueren Geschichte erreicht worden.
Gegen Schweden führten die Männer von Roger Bader soeben bis zweieinhalb Minuten vor Schluss in der ausverkauften Arena in Stockholm 2:1, ehe sie unglücklich 2:4 verloren. Nach dem Penalty-Sieg gegen die Slowakei sind die Viertelfinalchancen bei dieser WM intakt.
Was Ralph Krueger und Patrick Fischer in unserem Eishockey, das hat Roger Bader in Österreich bewirkt. Er legte das Fundament der Professionalität (wie Krueger) und sorgt nun auch für die Weiterentwicklung (wie Fischer). Ja, er hat sogar eine ganz eigene Philosophie mit einem aktiven Defensivsystem entwickelt. Taktisch wohl inspiriert von Arno Del Curto. Die Globalisierung des Hockeys kommt ihm entgegen. Österreichs beste Talente bekommen inzwischen ihren letzten Schliff im Ausland. In der Schweiz (Vinzenz Rohrer, Marco Rossi, David Reinbacher) oder in Schweden (Marco Kasper). Wenn es nicht oder noch nicht für die NHL reicht, dann wenigstens für unsere National League (Benjamin Baumgartner, Dominic Zwerger, Vinzenz Rohrer, Bernd Wolf).
Und die Behörden sind nicht saumselig, wenn es dem Hockey hilft: Salzburgs Atte Tolvanen hat zügig den österreichischen Pass erhalten und das ewige Goalieproblem gelöst. Bei dieser WM kann er gegen seinen Bruder Eeli Tolvanen antreten. Der NHL-Profi steht im finnischen WM-Team.
Wahrlich, mit Roger Bader rockt es auf dem Eis zwischen Feldkirch und Wien. Die Beachtung seiner sporthistorischen Bedeutung in Österreich verdankt der Vater von SCB-Stürmer Thierry Bader (nächste Saison bei den ZSC Lions) hierzulande eigentlich Arno Del Curto. Zu Roger Baders Coaching-Team gehörte bei den drei letzten WM-Turnieren 2022, 2023 und 2024 sein Freund Arno Del Curto (68). Auf die diesjährige WM hat der ehemalige ZSC- und HCD-Trainer im Ruhestand verzichtet.
Nach einer Hüftoperation ist Arno Del Curto noch nicht hundertprozentig fit. Roger Bader hat keinen Ersatz für seinen Freund nominiert:
Der Boshafte würde sagen: Die des Hofnarren, der für gute Laune sorgt. Und Arno Del Curto kann sowieso niemand ersetzen. Erst im Windschatten seines charismatischen Assistenten ist Roger Bader in den letzten drei Jahren ein wenig zu eidgenössischer Medienpräsenz gekommen. Nun funktioniert er in Stockholm auch ohne Arno Del Curto. Das freut ihn ein wenig. Mit Sinn für Ironie fügt er an:
Roger Bader ist in der Schweiz während seiner ganzen Karriere unter dem Radar der medialen Aufmerksamkeit geflogen. Erst war er Arno Del Curtos Assistent und Schattenmann beim ZSC und der bis dahin grössten Playoff-Sensation 1992 (Triumph gegen Lugano). Dann arbeitete er während Jahren als Assistent von Wladimir Jursinow in Kloten, war zweiter Mann an der Bande bei Gottéron und sammelte Erfahrung als Junioren-Nationaltrainer. Immer abseits des Scheinwerferlichtes.
Bevor er in Österreich zum Hockey-Kaiser aufgestiegen ist, war er nur einmal Chef. Aber sozusagen nur im Dorfe. Während sieben Jahren hatte er Uzwil zum HC Davos des Amateurhockeys gemacht. Und einen 16-jährigen Junior namens Mathias Seger zum ersten Mal im Erwachsenenhockey eingesetzt. Es ist wohl diese Erfahrung auf allen Stufen und die ihm eigene Bescheidenheit, die es ihm nun möglich machen, die verschiedensten Interessen zu bündeln und einen Verband voranzubringen.
Die Entwicklung, die er initiiert hat, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Die Basis ist mit rund 8000 lizenzierten Spielern ist in Österreich mehr als dreimal kleiner als in der Schweiz.
Roger Baders Vertrag läuft in einem Jahr aus. Die WM 2026 in Zürich und Fribourg wird ihm – sofern der Klassenerhalt bei der diesjährigen WM gelingt – doch noch einen Auftritt auf der grossen Bühne in unserem Land bescheren. Und er schliesst nicht aus, dass Arno Del Curto dann noch einmal dabei sein wird. Sozusagen als letztes Hurra für den HCD-Kulttrainer. Roger Bader würde dann halt wieder nur Arnos Schattenmann sein.
Aber daran hat er sich ja gewöhnt und kann gut ohne Scheinwerferlicht sein.